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Maximilian Junck
Tobias Becker
Stefan Rauth ist Senior Vice President Global HR bei der Zumtobel Group in Dornbirn, Österreich. Wir sprechen mit ihm über die Rolle von HR seit Ausbruch der Pandemie, worauf es bei Führungskräften in Krisenzeiten ankommt und wie HR in Unternehmen frühzeitig bei der Strategieplanung einbezogen werden kann.
Die Corona-Krise war eine Art Real-Life-Assessment für Führungskräfte.”
Interview
Welchen Effekt hat die Covid-19-Pandemie auf die Rolle der HR-Abteilung in Ihrem Unternehmen?
Die wichtige Rolle, die wir als HR schon vor der Krise im Unternehmen gespielt haben, konnten wir während der Pandemie noch weiter stärken. Wir haben mit unserer Arbeit einen wesentlichen Beitrag geleistet, um die Zumtobel Group sicher durch die Krise navigieren zu können. Wir haben beispielsweise noch besser als vorher beobachten und lernen können, wie Führungskräfte und Mitarbeiter mit außergewöhnlichen Situationen umgehen. Daraus konnten wir entsprechend Potenziale für unsere zukünftige Zusammenarbeit ableiten. Diese wertvollen Erkenntnisse nutzen wir aktuell beispielsweise dafür, um unseren globalen Ansatz zum Thema Flexible Work zu erarbeiten.
Was macht denn aus Ihrer Sicht eine gute Führungskraft in Krisenzeiten aus?
In Bezug auf Flexibilität haben wir in der Krise viel gelernt. Das gilt auch für HR, denn wir haben unseren Recruiting-Prozess angepasst. Die ersten Gespräche finden nun immer online statt, was aus Kandidatensicht wesentlich attraktiver ist."
Getreu dem Motto „Clarity, not Certainty“ geben gute Führungskräfte auch in Zeiten, die von hoher Unsicherheit geprägt sind, eine klare Richtung vor. Sie sagen, wo es hingehen soll, sind gleichzeitig aber auch flexibel genug, um sich anpassen zu können. Die Corona-Krise war demnach wie eine Art Real-Life-Assessment für Führungskräfte. Man muss sich einfach bewusst machen, dass die aktuelle Veränderungsgeschwindigkeit so hoch ist, wie sie in der Vergangenheit noch nie war, jedoch in Zukunft immer sein wird.
Wie hat sich die Flexibilität, die Sie gerade angesprochen haben, auf das operative Geschäft der Zumtobel Group ausgewirkt?
Trotz eines herausfordernden Marktumfelds hat die Zumtobel Group in den vergangenen Monaten ihre Stärke und Stabilität unter Beweis gestellt. Dank eines konsequenten Krisenmanagements und der schnellen Umsetzung von Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen an unseren Standorten weltweit konnten wir alle Kernfunktionen durchgehend aufrechterhalten und unsere Kundenaufträge erfolgreich bedienen. Auch im HR-Bereich war es wichtig, Flexibilität unter Beweis zu stellen und auf die sich ändernden Bedingungen zu reagieren. Um auch zukünftig ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, haben wir beispielsweise unseren On-Boarding Prozess untersucht und unseren Recruiting-Prozess angepasst. Die ersten Gespräche finden nun immer online statt, was aus Kandidatensicht wesentlich attraktiver ist. Dadurch werden wir schneller und effizienter und werden das auch in Zukunft beibehalten.
Ist die Zumtobel Group, die durch den Umstieg von klassischer Lichttechnik auf LED-Technik Erfahrungen mit großen Veränderungen hat, besser auf die Corona-Krise vorbereitet gewesen als andere Unternehmen?
Für Organisationen kann es durchaus von Vorteil sein, sich immer wieder anpassen zu müssen. Wenn sich die Organisation in den vergangenen zehn Jahren nicht geändert hat, dann bekommt sie Schwierigkeiten, Veränderungen schnell zu implementieren. Erlebt eine Organisation hingegen zu viele Veränderungen, treten Ermüdungserscheinungen auf. Deshalb ist es wichtig, diese Gratwanderung zu meistern. Dazu gehört auch eine klare Kommunikation, die unaufgeregt informiert: „Wir kommen als Zumtobel Group gut durch die Krise“. Solche deutlichen Ansagen haben sich gerade in der Krisenzeit bewährt.
Natürlich muss man gerade in Ausnahmesituationen daran denken, einen Team Call aufzusetzen und den Mitarbeitern Orientierung zu geben. Schwierigkeiten einräumen und den Weg aufzeigen, das ist es, was gute Führungskräfte machen."
Es ist eine spannende Frage, wie man als Unternehmen aus dem Change zurück in die Performance kommt. Wie bewahrt man in volatilen Zeiten die notwendige Stabilität, um weiter oder wieder voll leisten zu können?
Es kommt vor allem auf die Kommunikation an. Man muss Probleme direkt adressieren, die Rahmenbedingungen erklären und die Situation so schildern, wie sie ist. Danach geht es darum zu schildern, was man machen kann und wie der Weg nach vorne aussieht. Es muss Klarheit darüber herrschen, in welche Richtung es gehen soll. Und dann muss man schauen, wie man da Schritt für Schritt hinkommt. Sicherheit gibt es in Krisenzeiten dagegen nicht. Es ist deshalb besser, ein Problem anzusprechen und einzuräumen, dass man nicht sofort eine Lösung hat, als es zu verschweigen. Das führt zu noch mehr Unsicherheit. Wenn jeder weiß, dass man das Problem sieht und daran arbeitet, herrscht zumindest Klarheit. Weiters sollte man Positives und Lerneffekte hervorheben. Wenn die Vertriebsmitarbeiter nicht mehr zum Kunden fahren können, dann verschlechtert sich das Verhältnis zwischen Angeboten und Zusagen. Dafür kann jeder einzelne Vertriebsmitarbeiter viel mehr Angebote online aussenden, als er Kundentermine wahrnehmen könnte. Damit lässt sich der Umsatz auf einem relativ guten Niveau halten. Sprich – jede Krise birgt gleichzeitig auch Chancen.
Kommunikation als Führungsinstrument wird unserer Erfahrung nach oft vernachlässigt, wenn es hektisch wird. Dabei müsste das doch eigentlich jeder Manager auf dem Schirm haben?
Gerade in Ausnahmesituationen brauchen Mitarbeiter Orientierung. Gute Führungskräfte zeichnen sich deshalb vor allem dadurch aus, dass sie auf die veränderten Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter eingehen, sowie Empathie und Kommunikationsstärke beweisen. Ist die Krise erstmal abgewandt, ist es dann umso wichtiger, in den Modus der neuen Normalität überzugehen und auch hier alle Mitarbeiter an Bord zu wissen sowie Möglichkeiten zur Mitgestaltung der neuen Anforderungen zu schaffen.
Kommunikation ist auch für HR ein wichtiges Instrument. Hat sich die Positionierung von HR seit Ausbruch der Corona-Krise verändert?
Als HR waren wir in dieser Krise ganz wesentlich gefordert. Mit der Umstellung auf Homeoffice und einer somit entstandenen hybriden Arbeitswelt sind ganz neue Fragestellungen auf uns zugekommen. Zum Beispiel wie wir künftig Talente halten und wie wir trotz verschiedener Arbeitsorte eine erfolgreiche Teamarbeit sicherstellen. Oder wie Onboarding im Lockdown funktioniert. Wir haben sicher nicht alles perfekt umgesetzt, aber wir haben Vieles gelernt, was uns in Zukunft besser macht.
HR kämpft schon lange darum, aus der administrativen Rolle raus- und in die strategische Rolle hineinzukommen. Wie haben Sie das gemacht und was würden Sie anderen HR-Chefs empfehlen?
Mein Eindruck ist, dass der ein oder andere HR-Chef sich zwar beklagt, er werde nicht ernst genommen und hätte gerne den Platz am großen Tisch. Aber kaum einer fragt sich, warum das so ist. Es ist weniger ein strukturelles Problem, sondern ein Mentales. HR ist wichtig, weil der Personalbereich einen wesentlichen Beitrag zum Ergebnis leistet. Diesen Beitrag sichtbar zu machen und sich den Platz am großen Tisch zu erkämpfen, ist aber unbequem. HR muss von sich aus vom passiven Problemverwalter zum aktiven Problemlöser werden. Anstatt zu warten, dass man an den Strategietisch gebeten wird, muss man verstehen, wo die Führungsebene diese strategische Unterstützung benötigt. Wenn ich die Ziele und Probleme kenne und dabei helfe, sie zu erreichen bzw. zu lösen, dann bekomme ich den Platz am Tisch von allein. Dafür muss HR aber auch permanent liefern, was über die Summe der Payroll hinausgeht. Für reine Administration bekommt man weder Lob noch einen Platz am Strategietisch. Aber wenn der Vorstand sieht, dass HR einen aktiven Beitrag für die Entwicklung des Unternehmens leistet, dann bin ich dabei.
Welche Hürde müssen HR-Chefs überspringen, um das HR-Business Partnering zu verbessern?
Da geht es vor allem auch um die Persönlichkeit. Wer gestalten und einen Beitrag leisten will, muss auf die Bühne springen und sich exponieren. Das heißt aber auch, dass erkennbar wird, wenn die gewünschten Ergebnisse ausbleiben. Wer sich auf das Administrative der HR-Aufgabe beschränkt, vermeidet dieses Risiko. Er fällt dann weder positiv noch negativ auf. Er bewegt aber auch nichts.
Wie sehr hat die Sichtbarkeit von Talenten, auch im HR-Bereich, unter der Corona-Krise gelitten?
Die Corona-Krise war für uns auch in dieser Hinsicht ein Real-Time-Assessment. Trotz Krisenmanagement gilt es jedoch, wichtige Zukunftsthemen und Entwicklungen nicht aus den Augen zu verlieren. Um unsere Position als Arbeitgeber weiter zu stärken – sowohl für unsere bestehenden Mitarbeiter als auch für neue Kolleginnen und Kollegen – evaluieren wir im Rahmen unserer Employer-Branding-Strategie daher beispielsweise gerade unsere gesamte Employee Journey. Dabei möchten wir Verbesserungspotenziale identifizieren, um uns weiterhin attraktiv auf dem umkämpften Bewerbermarkt positionieren zu können.
Herr Rauth, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns genommen und Ihre Gedanken mit uns geteilt haben.
Fazit
Die Corona-Pandemie ist für die HR-Organisation die Gelegenheit, die eigene Leistungsfähigkeit im Unternehmen unter Beweis zu stellen und damit den Stellenwert zu erhöhen. Die Kommunikation von Führungskräften trägt nach Ansicht von Stefan Rauth, Senior Vice President HR bei der Zumtobel Group, dazu bei, schneller vom Krisenmodus zurück in die Performance zu kommen. Vom passiven Problemverwalter zum aktiven Problemlöser zu werden – das ist für HR-Executives der Weg, um einen festen Platz am Strategietisch des Unternehmens zu bekommen.